Donnerstag, 22. Juli 2010
die unerträgliche leichtigkeit des seins.
Die Ewige Wiederkehr ist ein geheimnisvoller Gedanke, und
Nietzsche hat damit manchen Philosophen in Verlegenheit gebracht:
alles wird sich irgendwann so wiederholen, wie man es schon einmal
erlebt hat, und auch diese Wiederholung wird sich unendlich
wiederholen! Was besagt dieser widersinnige Mythos?
Der Mythos von der Ewigen Wiederkehr sagt uns in der
Negation, daß das ein für allemal entschwindende und niemals
wiederkehrende Leben einem Schatten gleicht, daß es
ohne Gewicht ist und tot von vornherein; wie grauenvoll,
schön oder herrlich es auch immer gewesen sein mag - dieses
Grauen, diese Schönheit, diese Herrlichkeit bedeuten nichts.
Wir brauchen sie ebensowenig zur Kenntnis zu nehmen wie
einen Krieg zwischen zwei afrikanischen Staaten im vierzehnten
Jahrhundert, der am Zustand der Welt nichts verändert
hat, auch wenn in diesem Krieg dreihunderttausend Schwarze
unter unsagbaren Qualen umgekommen sind.
Wird es an diesem Krieg der beiden afrikanischen Staaten
etwas ändern, wenn er sich in der Ewigen Wiederkehr unzählige
Male wiederholt?
Gewiß: er wird zu einem Block, der emporragt und überdauert,
und seine Dummheit wird nie wiedergutzumachen sein.
Wenn sich die Französische Revolution ewig wiederholen
müßte, wäre die französische Geschichtsschreibung nicht so
stolz auf Robespierre. Da sie aber von einem Ereignis spricht,
das nicht wiederkehren wird, haben sich die blutigen Jahre
in Worte verwandelt, in Theorien und Diskussionen; sie sind
leichter geworden als Federn und flößen niemandem mehr Angst ein.
Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen einem
Robespierre, der in der Geschichte nur ein einziges Mal
aufgetreten ist, und einem Robespierre, der ewig wiederkehrt,
um den Franzosen den Kopf abzuhacken.
Sagen wir also, daß der Gedanke der Ewigen Wiederkehr
eine Perspektive bezeichnet, aus der die Dinge uns anders
erscheinen, als wir sie kennen: sie erscheinen ohne den
mildernden Umstand ihrer Vergänglichkeit. Dieser mildernde
Umstand hindert uns nämlich daran, ein Urteil zu fällen. Wie
kann man etwas verurteilen, das vergänglich ist? Im Abendrot
leuchtet alles im verführerischen Licht der Nostalgie, sogar
die Guillotine.
Vor kurzem habe ich mich bei einem unglaublichen Ge fühl
ertappt: ich blätterte in einem Buch über Hitler und war von
manchen Fotografien ergriffen: sie erinnerten mich an die
Zeit meiner Kindheit. Ich bin während des Krieges aufgewachsen;
einige meiner Verwandten sind in Hitlers Konzentrationslagern
umgekommen; was aber bedeutet ihr Tod angesichts
dieser Fotografien von Hitler, die in mir die Erinnerung
an eine vergangene Zeit meines Lebens wachgerufen haben,
an eine Zeit, die nicht wieder kehren wird?
Diese Aussöhnung mit Hitler verrät die tiefliegende moralische
Perversion einer Welt, die wesentlich auf dem Nichtvorhandensein
der Wiederkehr begründet ist, weil in einer solchen
Welt alles von vornherein verziehen ist und folglich auch
alles auf zynische Weise erlaubt.
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